Lea Ypi: „Frei. Erwachsenwerden am Ende der Geschichte“ ***

Beginn: 9.10.2022. Ende: 22.10.2022
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Der erste Teil ist zäh. Umso grandioser und klüger die Beschreibung dessen, wie sich das Leben der Ich-Erzählerin nach der Wende in Albanien im Jahr 1990 für immer verändert. Die glühende Jungpionierin muss feststellen, dass ihre Familie im Sozialismus enteignet wurde und keine der Einstellungen die sie in der Schule aufgesogen hat, auch nur im geringsten teilen kann. Was bedeutet Freiheit? In ihrer autobiographischen Erzählung stellt Ypi den Freiheitsbegriff im westlichen Liberalismus dem Freiheitsideal im Sozialismus gegenüber. Das Ergebnis dieser Gegenüberstellung ist erschütternd. „Nach dem Sozialismus hatten wir die Hoffnung. Nach dem Übergang hatten wir gar nichts mehr. “ In den Zeiten des Eisernen Vorhangs ermutigte der Westen den Osten, sich vom Sozialismus zu befreien. Doch als es dann soweit ist, weigert er sich, den Menschen, die aus dem Osten auf der Suche nach Freiheit in den Westen kommen, die Segnungen der Freiheit (Freizügigkeit, selbst gewählte Arbeit) zu gewähren. Sie werden als Flüchtlinge an der Grenze aufgehalten und in Lager gesperrt. 1997 zerbröselt das Freiheitsversprechen vollends. Der politische Systemwechsel mündet in einen Bürgerkrieg. Ein Roman, der nachhaltig zum Nachdenken über Freiheit anregt, geschrieben von einer Frau, in deren Familiengeschichte sich die Widersprüche Ideologien des 20. Jahrhunderts spiegeln.